„Ich bin einfach überwältigt …“
Nach dem liturgischen Abschied am 2. Juli 2025 und der in diesem Rahmen erfolgten Auszeichnung mit dem päpstlichen Silvesterorden folgte am 10. Juli 2025 unter dem Motto OrgelKunstDialog Wolfgang Kreuzhubers konzertanter Abschied vom Linzer Mariendom – und ein Abend, der in der Geschichte der Rudigierorgel einen besonderen Platz einnehmen wird: Erstmals seit der Orgelweihe 1968 musizierten in der Kathedrale wieder drei Organisten von internationalem Rang in einem Konzert an der Rudigierorgel – auf einem Instrument, das in besonderer Weise inspiriert.
Orgelkunst an der Rudigierorgel in all ihren Facetten
Die klanglichen und stilistischen Facetten der Rudigierorgel präsentierten der ausgewiesene Bach-Experte Brett Leighton (Australien/Österreich) mit einer „Bach-Interpretation allererster Klasse“ von Toccata, Adagio und Fuge C-Dur, BWV 564, von Johann Sebastian Bach (1685–1750), „einer der ganz großen Interpreten französischer Orgelmusik“ und ECHO-KLASSIK-Preisträger Ben van Oosten (Niederlande) mit Cathédrales von Louis Vierne (1870–1937) und Charles-Marie Widors (1844–1937) Allegro vivace aus der Symphonie No. 5 en fa mineur, op. 42/1, sowie der Gastgeber Wolfgang Kreuzhuber mit einer Improvisation, die sowohl in der Tradition der Linzer Domorganisten seit Anton Bruckner (1824–1896) als auch in der Geschichte der Rudigierorgel eine besondere Stellung einnimmt. Kreuzhuber (*1957) machte seine farbenprächtige, dreisätzige Improvisation Farbklang (Allegro moderato – Lento – Vivace) – durch die Mitwirkung der iranischen Tänzerin Shirin Farshbaf und der oberösterreichischen Malerin Edith „Eche“ Wregg – zu einem interdisziplinären Gesamtkunstwerk. Gemeinsam mit den langjährigen musikalischen Weggefährten gestaltete Kreuzhuber ein Konzert, das zu einem wahren Höhepunkt der internationalen Orgelkunst wurde – in stilistischer Breite und technischer Meisterschaft, wie sie „in dieser Konzentration schon lange nicht mehr zu hören war“.
Wilhelm Vieböck: „Ein Mann für alle Fälle!“
Dompropst Wilhelm Vieböck würdigte Kreuzhuber als „Mann für alle Fälle“ – künstlerisch, liturgisch und organisatorisch – und sagte Dank für die „treuen, langjährigen Dienste“: „Du hast unzählige Gottesdienste bereichert, Konzerte gegeben und organisiert, neue Konzertformate entwickelt und hast dein Wissen weitergegeben. Was dich in meinen Augen besonders auszeichnet, ist die Verbindung von Liturgie und Virtuosität, oft auch beides kombiniert in einem Gottesdienst.“
Maximilian Strasser: „Immer ein kirchenmusikalisches Erlebnis!“
Der emeritierte Dompfarrer Maximilian Strasser erinnerte im Gespräch mit Moderatorin Martina Noll an Kreuzhubers besondere Gabe der Improvisation, die sich für ihn stets als „kirchenmusikalisches Erlebnis“ präsentierte, sodass er sich manchmal beim Gedanken ertappte: „Jetzt hätte ich lieber keine liturgische Funktion und könnte mich hinsetzen und der Musik zuhören ...“ An eine besondere Improvisation denkt Maximilian Strasser bis heute gerne zurück: „Einmal hab ich nachher in der Sakristei zu ihm gesagt: ‚Heute hast du aber etwas besonders Schönes gespielt während der Kommunion.“ Dann hat er gelächelt und gesagt: ‚Ja, das war ein Trio.‘ Ich hab etwas dumm geschaut und gesagt: ‚Was ist denn das, ein Trio?‘ Dann hat er gesagt: ‚Da spielt die linke Hand etwas eigenes, die rechte Hand etwas eigenes und das Pedal etwas eigenes. Und das klingt zusammen.‘ Ich war sehr froh, dass ich da ein bisschen Nachhilfeunterricht in Musiktheorie bekommen habe. Aber ich erinnere mich an einen wundervollen Klang während des Kommunionausteilens.“
Rudolf Habringer: „Das war druckreif!“
Nicht mit dabei sein konnte an diesem Abend Rudolf Habringer (*1960), den mit Wolfgang Kreuzhuber schon eine lange, gemeinsame Zeit verbindet – der Autor, Kabarettist und Musiker, der Wolfgang Kreuzhuber während seines Pfarrpraktikums 1982 in der Linzer Dompfarre kennengelernt hatte, ließ es sich aber nicht nehmen, eine kleine persönliche Grußbotschaft an den Weggefährten zu übermitteln und zeigte sich beeindruckt von Kreuzhubers Improvisationskunst und seiner stilistischen Sicherheit: „Ich hab öfter zu ihm gesagt nach einer Improvisation: ‚Das war druckreif, was Du jetzt gespielt hast!‘“ Besonders fasziniert in ihn Kreuzhubers Improvisationen die „Ausgewogenheit von Kopf und von Gefühl“ als „das Höchste, was Musik hervorbringen kann“.
Schelmisch erzählte er außerdem vom Orgelkabarett Beruf: Organist/in. Umgeben von lauter Pfeifen im Jubiläumsjahr der Rudigierorgel, für das sie eine kabarettistische Form erfunden haben, bei dem „die Orgel und die Organist:innen im Zentrum“ standen. In diesem gemeinsam entwickelten Format haben die beiden Künstler „höheren Blödsinn“ gemacht, also „auf hohem Niveau geblödelt“. Und ergänzend verriet der Kabarettist: „Ich konnte auch ein bisschen eintauchen in die Psyche der Organisten, die ja oft unbedankt sind.“
Ben van Oosten: Ein „Genuss, ihn auf seinem Instrument zu hören“
Ben van Oosten betonte in persönlichen Worten die enge Verbindung zwischen Kreuzhuber und seinem Instrument: „Wie er mit der berühmten Rudigierorgel umgeht, das ist einmalig. Man hört, dass sie so vertraut ist für ihn. Das ist wirklich ein Genuss, ihn auf seinem Instrument zu hören. Und ich hoffe, es wird auch weiterhin sein Instrument bleiben, auch wenn er sich verabschiedet heute Abend.“ Im Nachklang hielt Ben van Oosten gemeinsam mit seiner Frau und Registrantin Margaret Roest fest: „Es war für uns eine ganz große Freude und Ehre, an diesem Abschiedskonzert für Wolfgang beteiligt zu sein.“
Brett Leighton: Ein Instrument, das „zum Raum passt“
Brett Leighton ergänzte zur Faszination Rudigierorgel: „Es ist diese wunderbare Paarung mit dem Raum. Wir haben heute ganz verschiedene Musikstile gehört – und das passt alles, weil die Orgel zum Raum passt. Das hat man auch bei der Improvisation so geschätzt … das sind nicht nur Töne, Malerei, Bewegung, sondern es kleben Klänge an den Wänden.“
Edith „Eche“ Wregg: Ein „gemeinsames, künstlerisches Atmen“
Edith „Eche“ Wregg hatte für ihren ehemaligen Musiklehrer am Stiftsgymnasium Schlierbach Wolfgang Kreuzhuber nach der gemeinsamen Improvisation als „eindrucksvollem Zusammenspiel dreier Künste“ noch ein besonderes Geschenk – das während der gemeinsamen Improvisation Farbklang entstandene Gemälde: „Ich war mal deine Schülerin – und Shirin war mal meine Studentin. Wir haben hier einen pädagogischen Konnex und ein ganz tiefes, gemeinsames künstlerisches Atmen. Du hast immer angesteckt mit deinem künstlerischen Denken … und das, was wir dir heute schenken möchten, ist natürlich dieses Bild: Ich wollte darin Menschen jung und älter einfangen, ein kleiner Ausschnitt von den Menschen, die du mit deiner Musik beeinflusst oder auf jeden Fall beeindruckt hast, Menschen, denen du viel mitgegeben hast.“
Wolfgang Kreuzhuber (*1957): Farbklang in drei Sätzen – 1. Allegro moderato | Rudigierorgel: Domorganist Wolfgang Kreuzhuber
Wolfgang Kreuzhuber: Kein „Lebewohl!“, sondern „Auf Wiedersehen!“
„Ich bin einfach überwältigt von eurem Besuch – und: Selten, dass man bei einem Orgelkonzert so viele Zuhörer hat, sag ich auch noch dazu“, hatte Kreuzhuber die zahlreich erschienene Gästeschar im Linzer Mariendom eingangs begrüßt – bewegt und dankbar. Über 42 Jahre prägte der fünfte Nachfolger Bruckners das musikalische Leben am Linzer Dom maßgeblich mit. Und dafür bedankte sich das Publikum am Ende des Abends schließlich mit minutenlangem Applaus, Standing Ovations und vielen berührenden Worten beim persönlichen Verabschieden – oft konnte man da hören: „Ich kann mir einen Dom ohne Dich nicht vorstellen … Du bist eine Institution!“
Mit einem augenzwinkernden Schlusswort verabschiedete sich Wolfgang Kreuzhuber selbst von den Gästen des Abends – darunter Bischof Manfred Scheuer, viele kirchliche Vertreter:innen und zahlreiche Freund:innen, Kolleg:innen, Schüler:innen und Wegbegleiter:innen: „Ein lachendes und ein weinendes Auge sind dabei. Aber ich werde nicht wie der Bruckner ‚Lebe wohl!‘ auf den Spieltisch schreiben – wahrscheinlich wird man sich wieder mal im Dom treffen! Ich bedanke mich, dass ich hier 42 Jahre an dieser ganz, ganz wunderschönen Orgel meinen Dienst versehen durfte, das wird mir sicher immer in Erinnerung bleiben.“
Stefanie Petelin
Foto Haijes (Jack Haijes und Michaela Hajes-Kemetmüller) | Dommusikverein Linz/Stefanie Petelin