„Du bist so etwas wie ein Dauerbrenner!“
„Wir feiern heute ein sehr populäres Fest: Mariä Heimsuchung, die Begegnung zwischen Maria und Elisabeth. Dieser Begegnung entspringt ein wunderbarer Gesang, ein Gebet– das Magnificat.“ Mit diesen Worten eröffnete Bischof Manfred Scheuer am 2. Juli 2025 um 19.30 Uhr den feierlichen Dankgottesdienst für das über 42 Jahre dauernde Wirken von Domorganist Wolfgang Kreuzhuber im Linzer Mariendom. Gerade das Magnificat – dieser gesungene Lobpreis – habe in der Musikgeschichte viele Spuren hinterlassen, so der Bischof. Und es sei mehr als passend, „in dieser Feier den Dank für die Begegnungen mit dem Dank für die Musik – mit dem Dank an Wolfgang Kreuzhuber zu verbinden“. Und groß war die Schar der Konzelebranten und Mitfeiernden im (leider) gar nicht kühlen Mariendom beim OrgelDankKlang. Neben Bischof Manfred Scheuer zelebrierten Domkustos Johann Hintermaier, Domrektor Slawomir Dadas, Domkapitular Michael Münzner, Dompfarrer emeritus Maximilian Strasser, Domkurat Josef Keplinger, Ewald Volgger, Ewald Nathanael Donhoffer sowie Diakon Anton Birngruber. Als Kantor fungierte Domkapellmeister Andreas Peterl, den Lektorendienst versah Eva Vogl.
Zahlreiche Weggefährt:innen – darunter Familie, Freund:innen, Kolleg:innen, Schüler:innen aus Nah und Fern – kamen zusammen, um Wolfgang Kreuzhuber für sein vielseitiges Wirken zu danken. Im Gottesdienst musizierte Domorganist Wolfgang Kreuzhuber gemeinsam mit Dommusikassistent Gerhard Raab (der Kreuzhubers Nachfolge im September 2025 antreten wird) als Hommage an den berühmten Amtsvorgänger Anton Bruckners (1824–1896) Präludium in C („Perger Präludium“), WAB 129, eingerichtet für zwei Orgeln. Zum Marienfest Mariä Heimsuchung sang der um Sänger:innen aus dem Chor des Konservatoriums für Kirchenmusik der Diözese Linz erweiterte Linzer Domchor unter der Leitung von Domkapellmeister Andreas Peterl den von Johann Sebastian Bach (1685–1750) für dieses Fest komponierten kirchenmusikalischen Klassiker Wohl mir, dass ich Jesum habe aus der Kantate Herz und Mund und Tat und Leben, BWV 147. Und natürlich durften bei diesem Dankgottesdienst auch zwei Improvisationen (Meditation zur Kommunion und Sortie zum Auszug) des scheidenden Domorganisten an „seiner“ Rudigierorgel nicht fehlen.
Wolfgang Kreuzhuber (*1957): Meditation | Rudigierorgel: Domorganist Wolfgang Kreuzhuber
Im Anschluss an die Liturgie wurde Wolfgang Kreuzhuber eine besondere Auszeichnung verliehen: Er wurde zum „Ritter des Ordens des Heiligen Papstes Silvester“ ernannt und damit für sein langjähriges und außergewöhnliches Engagement für die römisch-katholische Kirche geehrt. Der Geehrte konnte im Anschluss bei der Agape im Domcenter nicht nur viele Gratulationen und Wünsche entgegennehmen, sondern bekam auch oft zu hören: „Die Dommusik ist ohne dich kaum vorstellbar!“
Scheuer: Ein Helfer, um „Gottes Melodie in uns aufzunehmen“
In seiner Predigt im Dankgottesdienst widmete sich Bischof Manfred Scheuer einer tiefen Reflexion über das Wesen und die Kraft der Musik – und über das, was sie im Menschen bewegt. Dabei wurde deutlich: Musik ist mehr als „klingende Luft“ (Charles Darwin). Sie ist, so der Bischof, „eine besondere Form menschlicher Expression, vergleichbar der Sprache“. Scheuer erinnerte daran, dass Musik – anders als die Sprache der Worte – nicht eins zu eins übersetzt werden könne: „Musik ist eine Sprache sui generis – oder um es mit einem Gedicht von Rainer Maria Rilke zu sagen: Musik ist ‚Sprache, wo die Sprachen enden.‘“
Musik, die uns in den „Raum des Geheimnisvollen und Unsagbaren“ geleiten könne, sei „eine urmenschliche Größe und als solche ein Symbol der Gott-Fähigkeit und auch der Gott-Begeisterung von uns Menschen“. Gerade der Linzer Mariendom, geprägt von der Architektur und dem Geist Anton Bruckners, zeige die Faszination, wie Klang zur Transzendenz führen kann. Bischof Scheuer erinnerte auch mit Blick auf den Orpheus-Mythos daran, dass in der Antike der Musik eine Macht zugeschrieben wurde, die sogar den Tod überwinden kann: Denn Orpheus bezauberte mit seinem Gesang die Unterwelt – so „wird der Tod durch die Kraft der Liebe, aber auch durch die Magie der Musik überwunden“, hielt Scheuer fest. Unter Bezugnahme auf Clemens von Alexandria wies er auf die Parallele zu Jesus Christus hin, der durch sein Wort Tote zum Leben erwecken und selbst Steine in Menschen verwandeln könne.
Die Macht der Musik sei, so Scheuer, Einstimmung, Umstimmung, Hochstimmung – und dies seien Grundformen des Wirkens des Heiligen Geistes. Am Schnittpunkt von Klang und Glaube verortete Bischof Scheuer schließlich das jahrzehntelange Wirken von Wolfgang Kreuzhuber: „Ich danke heute Wolfgang Kreuzhuber im Namen der Diözese und ganz persönlich. Ich glaube, dass Wolfgang Kreuzhuber uns in den letzten Jahrzehnten seines Wirkens sehr geholfen hat, Gottes Melodie in uns aufzunehmen – durch die Musik, aber auch durch das persönliche Zeugnis des Lebens.“ Und weiter: „Ich danke ihm auch, dass er uns die Freude und damit auch die Hoffnung auf Erlösung durch die Musik erschlossen hat.“
Hintermaier: „Du gehörst zum Inventar, du bist ein Dauerbrenner!“
Bischofsvikar Hans Hintermaier fand in seiner Laudatio vor der Verleihung des päpstlichen Ordens bewegende Worte für Wolfgang Kreuzhuber, der das musikalische Leben des Mariendoms Jahrzehnte geprägt hat: „Du hattest ja mehrere Wege offen – aber Du hast Dein Leben bewusst der Musik verschrieben.“
Der Student, der Lernende und der Lehrende. In seiner Ansprache zeichnete Hintermaier das Bild eines leidenschaftlichen Musikers, der trotz seines Wissens immer auch ein Lernender geblieben ist: Er betonte, dass Kreuzhuber „immer versucht hat, sich weiter zu perfektionieren, neu in die Tiefen der Musik einzutauchen, von der ich nicht einmal weiß, dass es sie gibt … da, wo du zuhause bist und wo du es immer wieder auch verstanden hast, dieses Hineinvertiefen auch zu heben und für uns zugänglich zu machen“. Denn Lernen bedeutete für Kreuzhuber stets Weitergeben. Ob als Lehrer, als Gründer des Konservatoriums für Kirchenmusik oder als Wegbegleiter von jungen Menschen an der Orgel: „Was Du Dir angeeignet hast, ist kein verschlossener Schrank geblieben, wo nur du dich mit wenigen Auserwählten bewegen konntest, sondern es ist schon auch eines deiner Markenzeichen, dass du immer wieder da warst, um deine Kenntnis weiterzugeben.“ Besonders eindrucksvoll sei das bei Führungen mit staunenden Kindern an der Rudigierorgel gewesen.
Der Organist, der Musiker und der Komponist. Hans Hintermaier erinnerte sich zurück: „Vor gut 25 Jahren war ich hier Kaplan und da war er schon immer da.“ Und weiter – zu Wolfgang Kreuzhuber gewandt: „Du gehörst dazu, zum Inventar, Du bist so etwas wie ein Dauerbrenner!“ Und in dieser „Strahl- und Leuchtkraft“ habe Kreuzhuber nun die Entscheidung getroffen, sein Leben „an einer anderen Stelle weiterzuleben“, so Hintermaier. Durch sein umfassendes Wirken in der Linzer Dommusik, auch durch die Einführung neuer Formate wie dem RAUMKLANG, habe er die Dommusik auf „eine besondere Ebene gehoben“ und das Ansehen des Doms, der Dommusik und des Domorganisten auf ein „anspruchsvolles Niveau“ geführt, das weit über Linz hinausstrahle. Der Bischofsvikar resümierte: „Der Linzer Mariendom darf sich freuen, Dich hier als Domorganist gehabt zu haben.“
Untrennbar bleibt sein Name mit der Rudigierorgel verbunden. „Kreuzhuber und die Rudigierorgel – oder: die Rudigierorgel und Kreuzhuber.“ Hintermaier erinnerte daran, dass „wir die Orgel in deiner Hand in guter Hand wussten“, immer umsichtig und bemüht um die umfassende Sorge für das Instrument. Und er würdigte den „leidenschaftlichen und begnadeten Improvisator“, der „zur Ehre Gottes und zur Freude der Menschen gewirkt“ habe. Diese innere Haltung – bescheiden und getragen von spiritueller Tiefe – sei es, die Kreuzhubers jahrzehntelanges Wirken zu etwas Besonderem mache. Ein Herzensanliegen Kreuzhubers sei zudem die stärkere Verknüpfung des Mariendoms mit Anton Bruckner gewesen: „Und da bleibt dir für die Pension noch ein bissl etwas übrig“, sagte Hintermaier augenzwinkernd.
Der Mensch. Auch den Menschen Wolfgang Kreuzhuber hob der Bischofsvikar in seiner Laudatio hervor und zeichnete ihn als einen, mit dem man „immer gut und auf feine Art und Weise Umgang pflegen konnte“. Kreuzhuber habe nie seine Position in den Vordergrund gestellt, sondern sei stets nahbar geblieben: „Du weißt, dass Musik etwas Zerbrechliches ist“, erinnerte Hintermaier – und meinte damit nicht nur die Töne. Diese Feinfühligkeit hat Wolfgang Kreuzhuber immer ausgezeichnet: im Spiel, im Gespräch, im Leben.
Der Pensionist. „Endlich“, so zitierte Hintermaier schmunzelnd den Geehrten, „kannst Du dich dem Fußball widmen.“ Denn Wolfgang Kreuzhuber will sich in der Pension als Nachwuchstrainer im Fußball engagieren. „Du hast den Fußball zugunsten der Musik etwas zurückgestellt. Jetzt darf er wieder zum Zug kommen.“
In den Oberösterreichischen Nachrichten war von Wolfgang Kreuzhuber zu lesen gewesen: „Ich werde die Rudigierorgel vermissen.“ Hintermaier hielt dem zum Anschluss seiner Laudatio nur eines entgegen: „Wolfgang, wir werden dich vermissen.“
Kreuzhuber: „Wohl mir, dass ich Jesum habe“ – und: Kein „Lebewohl“!
Sichtlich gerührt zeigte sich Wolfgang Kreuzhuber bei seiner Dankesrede nach der Auszeichnung mit dem päpstlichen Orden. Die zuvor gehaltene Rede von Johann Hintermaier habe ihn tief bewegt, gestand er offen: „Ich muss ehrlich sagen – ich bin ganz bewegt. Und ich kann gut nachfühlen, wie’s dem Bruckner damals mit seiner Ehrendoktorwürde gegangen ist: Wenn ich jetzt eine Orgel da hätte, dann könnte ich ausdrücken, was ich spüre.“
Wolfgang Kreuzhuber (*1957): Sortie | Rudigierorgel: Domorganist Wolfgang Kreuzhuber
Mit Dankbarkeit blickte Kreuzhuber auf über vier Jahrzehnte an der Rudigierorgel zurück – auf heiße Sommertage wie diesen, aber auch auf frostige Einsätze im Winter: „Ich bin sehr, sehr dankbar dafür, dass ich an einer so wunderbaren Orgel meinen Dienst versehen durfte.“ Besonders freue er sich darüber, dass mit Gerhard Raab ein würdiger Nachfolger den Dienst als Domorganist übernehmen werde – und betonte in diesem Sinne auch seine Hoffnung auf eine gute Zukunft der Linzer Dommusik. Ein besonderer Dank galt den Domkapellmeistern, den Chören und nicht zuletzt allen Mitfeiernden – und für Kreuzhuber wichtig: Kein dramatisches „Lebe wohl“, wie es Bruckner einst am Spieltisch der Orgel des Alten Domes hinterließ, sondern ein schlichter, aufrichtiger Dank.
Zum Schluss verriet er, dass ihn ein Moment nach der „wunderbaren Homilie unseres Bischofs“ besonders berührt habe: Bachs eigens für Mariä Heimsuchung komponiertes Wohl mir, dass ich Jesum habe. „Ein Stück, das man oft hört – aber heute war es für mich besonders. Weil ich genau das gespürt habe: Wohl mir, dass ich Jesum habe.“
Silvesterorden: Mit Schwert am Pferd zum Petersdom
Domorganist Wolfgang Kreuzhuber wurde für sein beeindruckendes Wirken durch Bischof Manfred Scheuer mit dem Orden des Heiligen Papstes Silvester (kurz: Silvesterorden) ausgezeichnet, dessen Verleihung vom Papst selbst – nach Nominierung durch den Ortsbischof oder Nuntius – in Auftrag gegeben wird. Der päpstliche Silvesterorden ist der fünfthöchste Orden für Verdienste um die römisch-katholische Kirche und eine der höchsten Auszeichnungen, die die katholische Kirche an Laien vergeben kann. Wer die Auszeichnung erhält, entscheidet also der Papst – im Falle von Wolfgang Kreuzhuber war dies sogar noch der am Ostermontag 2025 verstorbene Papst Franziskus. Der Silvesterorden bringt übrigens auch spannende Privilegien mit sich: So darf sich Wolfgang Kreuzhuber neben einer Silvesteruniform auch das sogenannte Silvesterschwert anfertigen lassen und bei sich führen – und damit dann auf einem Pferd die Stufen zum Petersdom hinaufreiten. Ob er das wohl beim nächsten Rombesuch machen wird? Man darf gespannt sein.
Stefanie Petelin
Foto Haijes (Jack und Samuel Haijes)