Blitzlichter auf den 1. Mai 1924
Blitzlicht 1: Kirchenmusik
Die Linzer Tagespost verrät am 3. Mai 1924 durch den Mund von Kunstberichterstatter Franz Gräflinger nähere Details zur musikalischen Gestaltung des Pontifikalamts im Rahmen des Domweihefests 1924:
„Den musikalischen Glanzpunkt, ebenso wie das vom päpstlichen Kardinal-Legaten zelebrierte Pontifikalamt [...], bildeten die Aufführungen des Linzer Domchores am 1. Mai. Man konnte in mancher Großstadt vergleichsweise schon lange in der Vorkriegszeit – als noch Waldeck Domkapellmeister war – keine künstlerisch reifere Kirchenmusik hören, wie in Linz. Alfons von Liguori schrieb einmal: ‚Die Musik ist eine Kunst, der man ganz angehören, die man ganz beherrschen muß, sonst macht sie nicht nur keine Freude, sondern sie langweilt sogar‘. [...] Prunkhaft, farbenprächtig das Bild im Münster, in dem führende Männer des Staats und der Kirche versammelt waren. Und vom Chor kündeten Werke von verstorbenen und lebenden heimatlichen Leuchten der Musik, würdige Priester der Schutzpatronin Cäcilias, in Tönen und Harmonien Lob und Preis. Es waren musikalische Zwiegespräche, die der Genius in glücklichen Gebetstunden innerlich erlauscht und die sein Ich durch die Ausführenden der Menge mitteilte. Beim Einzuge phantasierte Domkapellmeister Ignaz Gruber über das Einleitungsthema des Sanctus aus der D-Messe Bruckners. Sein Können, seine Technik, an brucknerischem Vorbilde erzogen, verstand er voll auszunützen. In dem ‚Ecce sacerdos‘ kam unser führender Kirchenkomponist, Professor Neuhofer, zu Wort. In feierlichem Jubel von melodisch beweglicher Linienhaftigkeit zieht das bedeutsame Werk an dem Ohr vorüber. Hieran schloß sich ein sorgfältig gearbeitetes ‚Veni creator‘ von dem bekannten Komponisten Domkapellmeister Gruber. Als Messe war die in D von Anton Bruckner gewählt. In ihr offenbar sich so recht das gottesgläubige Gefühl, die Gottessehnsucht des Ansfeldner Meisters. […]
Die Aufführung war eine dem Feste würdige. Der Chor – bei 100 Stimmen – entwickelte eine ausgesuchte Präzision, eine einzig schöne vollendete Singweise, differenzierte Klangnuancen. Das Solo-Quartett, die Damen Zelenka und Erhard und die Herren Raidl und Brandstätter [sic!] hielt sich vortrefflich. Das Orchester – 40 Musiker – ging impulsiv mit und leistete tüchtiges. Die Einlagen stammten aus der Feder Franz Müllers. Das Graduale ‚Tu gloria Jerusalem‘ ist wundervoll im Wechsel zwischen vierstimmigem Frauen- und vierstimmigem Männerchor. Eine Eingebung von seltener Schönheit ist das Totra [sic!] pulchra. Ein Solotenor singt es in weit ausspannender Melodik, wozu der Chor Pianissimo grundiert. Die Fortsetzung bringt ein Stimmengeflecht von klassischer Adeligkeit, die moderneren harmonischen Ausweichungen verleihen einen eigenen Farbenreiz. Diese Arbeit ist wohl das Wertvollste, was wir bisher von Müller gehört haben. Herr Raidl brillierte mit seinem lyrisch timbrierten Tenor. Auch das Offertorium, ein Ave Maria, entbehrt nicht die Stimmung, die bald hymnisch-ätherisch, bald innig flehend und voll Begeisterung ausklingt. Neuhofers ‚Tedeum‘ ist uns von einer Konzertsaal-Aufführung her bekannt (1919). Das stimmungsvolle Werk, durchsetzt mit mannigfachen, erdentrückten und erhaben überwältigenden Stellen, übte eine zündende Wirkung. Der klassisch orientierte, idealistisch tätige frühere Domkapellmeister Karl Waldeck war mit einem Tantum ergo vertreten. Als Dirigent der Messe und einzelner Einlagen bewies Domkapellmeister Gruber seine traditionell fundierte Künstlerschaft. Mit besonderer Liebe und Vertiefung versenkte er sich in den Inhalt des Gebotenen … Als einzigartiges Stimmungsmoment sei die durch Silberbeckenschläge und Orgelpräludium abgetönte Wirkung währen der Wandlung hervorgehoben. Für den festlichen Auszug hat Professor Neuhofer ein Postludium für Orgel, 2 Trompeten, 2 Hörner, 3 Posaunen komponiert, das, Themen der Messe verarbeitend, den gestaltungsreichen Tonkünstler als vollendeten Beherrscher der Mittel erscheinen ließ. Die musikalische Darbietung wird in seiner Art in der Geschichte von Linz dauernd weiterleben.“
Blitzlicht 2: Festpredigt
Kardinal Michael von Faulhaber (1869–1952), Erzbischof von München und Freising, leitete seine Festpredigt am 1. Mai 1924 um 8.30 Uhr – vor dem Pontifikalamt um 9.30 Uhr, in dem Anton Bruckners Messe in D, WAB 26, musiziert wurde – mit folgenden Worten ein, wie der Fest-Bericht des Linzer Domweihefestes aus dem Jahr 1924 wiedergibt:
„Menschen werden bestenfalls für ein paar Jahrzehnte geboren, Kirchen werden für Jahrhunderte gebaut. Dem neugeweihten Bischof gibt man den Gruß: ‚Ad multos annos! Auf viele Jahre!‘ Der neugeweihten Domkirche, dem Hohenpriester unter den Kirchen der Diözese, gilt der Gruß: Ad multa saecula! Auf viele Jahrhundert! In den alten Domen schauen Jahrhunderte auf uns nieder und dieser neue Dom rüstet sich wie ein Riese zu laufen seinen Weg durch Jahrhunderte. Als vor 62 Jahren, auf den Tag genau, der ehrwürdige Diener Gottes Franz Josef Rudigier den Grundstein zu diesem Dom legte, da waren wenige von uns dabei, und wenn in hundert Jahren der neue Dom sein Jubiläum feiert, wird niemand von uns dabei sein. Menschen werden für Jahrzehnte geboren, Dome werden für Jahrhunderte gebaut.“
Blitzlicht 3: Feuerwerk
Der Fest-Bericht des Linzer Domweihefestes aus dem Jahr 1924 verrät mehr über das Feuerwerk, das zu diesem Anlass gezündet wurde:
„Um 10 Uhr nachts am 1. Mai erdröhnen plötzlich Schüsse, Geknatter. Eiligst macht man sich auf, um auf die Straße zu eilen. Da erhebt sich hoch in die Luft eine grüne Flamme: Das Feuerwerk wird auf dem Domturme abgebrannt. Und wie man eilenden Laufes zur Herrenstraße kommt, sind um den Turm drei feurige Ringe gezogen: auf den drei Galerien brennen bunte Lichter. Feuergarben zerstreuen sich, Raketen, grün, rot, blau, erheben sich in die Luft und bersten mit einem lauten Geknatter. Bomben knallen, magisches Licht entzündet sich auf der Galerie zu beiden Seiten des Vierungsturmes und wirft blutroten Schein über das Gotteshaus. Und wieder saust ein Sprühregen von Raketen empor, einzelne Lichter heben sich noch über den Turm hinaus. Mählich werden die Lichter weniger, es wird dunkler, nur das hell beleuchtete Kreuz ragt noch hinaus in das Dunkel. Und die ganze Nacht noch verbreitet sich sein Glanz …
Das Feuerwerk war ursprünglich für den 30. April in Aussicht genommen. Man mußte aber vom Abbrennen des Feuerwerkes ganz Abstand nehmen, da es nicht möglich gewesen war, die Feuerwerkskörper im starken Regen zu montieren. Für den Abend des 1. Mai entschloß man sich, das Feuerwerk unter allen Umständen abzubrennen, selbst auf die Gefahr hin, daß einige Details mißlingen könnten und dadurch die Wirkung beeinträchtigt würde. Es ist aber gar nichts mißlungen und die Wirkung war eine großartige und überstieg alle Erwartungen. Meister Engel aus Krems, der selbst trotz seiner hohen Jahre bei der Aufstellung der Feuerwerkskörper eifrigst mitarbeitete, hat mit dieser Darbietung wirklich eine Glanzleistung vollbracht. Für die an den mühevollen Montierungsarbeiten Beteiligten war es kein Spaß, da oben auf dem Turm in Wind und Regen zu arbeiten und immer dagegen kämpfen zu müssen, daß ja nicht der Regen die Feuerwerkskörper zerstöre. Ingenieur Hofreiter arbeitete mit mehreren Monteuren fast den ganzen Tag oben auf den luftigen Höhen. Die Signalgebung war durch den Sturm sehr erschwert, um so bewundernswerter ist es, daß doch alles geklappt hat.
Die Arbeit war dadurch auch erschwert, daß wegen der Nässe auf das eingerichtete Lauffeuer kein Verlaß war und die einzelnen Feuerwerkskörper einzeln angezündet werden mußten. Aber zur Ehre Engels und seiner Mithelfer sei es gesagt: es gab bei dem ganzen Feuerwerk keinen einzigen Versager!“
Stefanie Petelin
Katholischer Preßverein/Robert Wosak (Zeichnungen zur Domweihe)