Es wird scho glei dumper ...
Gott ist im Kommen. Auf diesen Grund unserer Freude lenkten Domorganist Wolfgang Kreuzhuber und Christoph Niemand den Blick in ihrem Adventimpuls am 17. Dezember 2023 im Linzer Mariendom. Gott baut uns zu Weihnachten eine Brücke vom Himmel zur Erde, von sich selbst zu uns Menschen – durch ein Kind ... und zu ihm führte der Weg am dritten Adventssonntag mit besinnlich-heiteren TÖNEN & WORTEN im Dom. Denn wie heißt es im Eröffnungsvers des Gaudete-Sonntags: „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch! Denn der Herr ist nahe.“ (Phil 4,4.5)
Rund 40 Minuten lang widmeten sich Domorganist Wolfgang Kreuzhuber an der Rudigierorgel und Christoph Niemand am Mikrofon bei ihren TÖNEN & WORTEN im Dom der Vorfreude auf das schon sehr nahe Weihnachtsfest. Einige adventliche und weihnachtliche Entdeckungen konnte das Advent-am-Dom-Publikum in diesem Kosmos der TÖNE & WORTE machen und dabei – wie die Mitwirkenden – schöne Bescherungen in Wolfgang Kreuzhubers fasziniernden Improvisationen über Advent- und Weihnachtslieder, die nachfolgend näher vorgestellt werden, und von Christoph Niemand wunderbar vorgetragenen Texten von Bischof Benno Elbs, Daniel Glattauer, Susanne Niemeyer, Ulrich Peters und Rainer Maria Schießler erleben und dabei genießen und staunen, schmunzeln und freuen.
Es kommt ein Schiff, geladen!
Ein ankommendes Schiff geht an den Küsten der Menschheit vor Anker und bringt Gottes Sohn voll Gnaden zu uns. Unter Segeln der Liebe und des Friedens. Unter dem Mast des Heiligen Geistes. Inhaltlich geprägt ist das Lied von der Metapher des Schiffes, die mehrere Lesarten zulässt – das mit der kostbaren Fracht beladene Schiff kann als Metapher für die Gottesmutter Maria („navis gaudiorum“), die Seele oder auch die Kirche ausgelegt werden. Das Schiff wird dabei in Bewegung gebracht durch die Liebe, der Heilige Geist verkörpert den Mast. Der adventliche Choral zählt zu den ältesten deutschsprachigen geistlichen Gesängen. Die Choralmelodie ist erstmals im Andernacher Gesangbuch von 1608 als Uns kompt ein Schiff gefahren / En navis institoris in deutsch-lateinischer Fassung bezeugt. Die Zuschreibung des Liedes an den Mystiker Johannes Tauler (1300–1361) nimmt 1626 ihren Ausgangspunkt im Gesangbuch Etliche Hohe geistliche Gesänge / Sampt anderen Geistreichen getichten / so auß der alten Christlichen Kirchen lehrer vnd jhrer nachvolger Büchern gezogen des evangelischen Geistlichen Daniel Sudermann (1550–1631), in dem er zur Herkunft verrät: „Ein vraltes Gesang. So vnter des Herren Tauleri Schrifften funden, etwas verständlicher gemacht: Im Thon Es wolt ein Jäger Jagen wol in deß Himmels Thron.“ Ob Tauler tatsächlich Urheber des Liedes ist, bleibt bis heute ungewiss, wahrscheinlich erscheint jedoch die Herkunft aus der oberrheinischen spätmittelalterlichen Mystik in dessen Geiste. Die ersten drei, innerlich kohärenten Strophen bilden den alten Kernbestand des Liedes, wobei hier je erste und zweite Zeile einer Strophe bildsprachlich wiedergeben, was die dritte und vierte Zeile theologisch (aus)deuten. Mit der von Sudermann ergänzten vierten Strophe endet die Bildsprache der ersten drei Strophen und das Lied fällt mit „Zu Bethlehem geboren“ zurück in die gebräuchliche, weihnachtliche Sprache. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts erlebte das Lied eine Renaissance – durch gezielte Veröffentlichung in Kirchengesangbüchern gelangte es schließlich in den Liederkanon in evangelischer und katholischer Kirche. Das an der Schwelle zwischen Advent und Weihnachten stehende Es kommt ein Schiff, geladen verkörpert wunderbar die Verbindung zweier Welten miteinander – Himmel und Erde, Göttliches und Menschliches, Endendes und Ewiges – und erinnert an dessen weltverändernde Kraft, indem Gottes Wort lebendig wird mitten in der Welt.
Liedtext in heutiger Fassung |
1. Es kommt ein Schiff,
2. Das Schiff geht still im Triebe,
3. Der Anker haft’ auf Erden,
4. Zu Bethlehem geboren
5. Und wer dies Kind mit Freuden
6. danach mit ihm auch sterben |
Werst mei Liacht ume sein!
Günther Mittergradnegger (1923–1992). Der Komponist, Chorleiter, Pädagoge, Musikförderer und Gründer mehrerer Vokalensembles (Kärntner Lehrerquintett, Erstes Gemischtes Lehrer-Doppelquintett, Madrigalchor Klagenfurt) und Begründer und (Mit-)Initiator verschiedener kultureller Angebote, Wettbewerbe und Preise wurde und wird 2023 vor allem in seiner Heimat Kärnten groß gefeiert. Aus seiner Feder stammen Melodien zu berühmten Kärntnerliedern wie Is schon still uman See oder Es wintat schon eina, sodass er mit dem evangelischen Geistlichen Gerhard Glawischnig (1906–1995) und dem Lehrer Justinus Mulle (1891–1966) eine Dichter-Musiker-Gemeinschaft, den sogenannten St. Veiter Kreis, bildete und so tonangebend bei der Erneuerung des Kärntnerliedes war. Mittergradnegger darf aber keineswegs auf sein Volksliedschaffen reduziert werden, denn der Komponist schrieb auch Messen, Motetten, Passionen, Kantaten und Spirituals, moderne Liedkompositionen und Liederzyklen, Instrumentalmusik, Schul- und Jugendmusik. Berufliche Stationen des leidenschaftlichen Sängers und promovierten Volkskundlers und Musikwissenschaftlers waren verschiedene Schulen, u.a. die Landesbildungsanstalt Klagenfurt (Volks- und Hauptschullehrer, 1945–1964), der ORF Kärnten (freier Mitarbeiter, 1965–1969), das Amt der Kärntner Landesregierung (Leiter der Kulturamts, 1970–1980) oder der Musikverein Kärnten (bis 1984). Das aus dem Jahr 1971 stammende beliebte Kärntner Weihnachtslied Werst mei Liacht ume sein wurde von Gerhard Glawischnig getextet, die Weise erdachte Günther Mittergradnegger.
Liedtext in heutiger Fassung |
1. Wo is denn in Schnee
2. Åba her üban Schnee
3. A Weg für mi ume, |
Es wird scho glei dumper!
Entgegen mancher Liederbuchausgabe stammt das gern gesungene Weihnachtslied Es wird scho glei dumper nicht aus Tirol, sondern aus Oberösterreich. Denn der gebürtige Krenglbacher Anton Reidinger (1839–1912) hat das Lied während seiner Zeit als Pfarrer in Riedau (1876 bis 1891) geschrieben. In der 1884 publizierten Sammlung Kripplgsangl und Kripplspiel in der oberösterreichischen Volksmundart ist das heute beliebte und bekannte Lied als Krippllied verzeichnet. Zunächst scheint dabei wohl das Gedicht entstanden zu sein – für die Vertonung seines Gedichtes zog Reidinger das Marienlied Maria zu lieben ist allzeit mein Sinn heran, das er veränderte, ergänzte und mit einer zweiten Stimme versah.
Liedtext in heutiger Fassung |
1. Es wird scho glei dumper, es wird ja scho Nacht,
2. Vergiß jetzt, o Kinderl, dein Kumma, dei Load,
3. Ja Kinderl, du bist halt im Kripperl so schön,
4. Schließ zu deine Äugerl in Ruah und in Fried |
O Tannenbaum!
Heute ist O Tannenbaum gewiss eines der bekanntesten Weihnachtslieder. Mit Weihnachten hatte es ursprünglich allerdings gar nichts zu tun. Denn 1820 veröffentlichte der Potsdamer Pädagoge August Zarnack (1777–1827) eine Sammlung mit dem Titel Deutsche Volkslieder mit Volksweisen für Volksschulen, in der auch das Lied O Tannenbaum zu finden ist, dessen Melodie Zarnack vom Lied Es lebe hoch, es lebe hoch, der Zimmermannsgeselle aus dem seit 1799 verbreiteten Mildheimischen Liederbuch übernahm. In seinem Text knüpft Zarnack an ein Renaissancelied rund um den Tannenbaum an, das auch zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von Zarnacks Sammlung noch bekannt war. Nach dem Lob auf das immergrüne Kleid des Tannenbaums in der ersten Strophe folgt in seinen weiteren Strophen ein tragisches und trauriges Liebeslied, die Liebesklage eines Mannes, in der die immergrüne Tanne als Symbol für Treue und Beständigkeit als Kontrast zur Untreue des „Mädeleins“ im Lied fungiert. Durch eine Umdichtung des Leipziger Lehrers Ernst Anschütz (1780–1861) trat das 1824 im Musikalischen Schulgesangbuch veröffentlichte Lied seinen Siegeszug als Weihnachtslied an. Bis heute sind – auch bedingt durch den hohen Bekanntheitsgrad und die große Popularität des Liedes– zahlreiche Parodien und Verballhornungen auf das Weihnachtslied belegt.
Liedtext in heutiger Fassung |
1. O Tannenbaum, o Tannenbaum,
2. O Tannenbaum, o Tannenbaum,
3. O Tannenbaum, o Tannenbaum, |
Wolfgang Kreuzhuber (*1957): Improvisation über Fröhliche Weihnacht überall! | Rudigierorgel: Domorganist Wolfgang Kreuzhuber
Fröhliche Weihnacht überall!
Das Weihnachtslied erschien erstmals 1870 unter dem Titel Merry, merry Christmas in der Sammlung Christmas Annual No. 2 beim New Yorker Verlag Biglow & Main Co – als Schöpferin von Text und Musik ist für das Lied eine Frau namens Mrs. Thomas J. Cook genannt. An anderer Stelle erscheint als Autorin der Name Rebecca S. Cook. Möglicherweise bezeichnen beide Personen dieselbe Person. Das Lied wurde bis 1896 in mehreren Sonntagsschul-Liederbüchern abgedruckt, danach noch einmal im Jahr 1923 in Juliette Alexanders Sammlung Sacred Songs for Church and Home. Die älteste nachweisbare Fassung des Liedes – unter dem Titel Fröhliche Weihnacht und dem Hinweis „aus dem Englischen“ – in einem deutschsprachigen Liederbuch findet sich in Caroline Wicherns Werk Alte und neue Weihnachtslieder für Schule und Haus im Jahr 1880 in Hamburg. Die Komponistin und Musikpädagogin Caroline Wichern (1836–1906) ist übrigens die älteste Tochter von Johann Hinrich Wichern (1808–1881), dem Erfinder des Adventskranzes. 1885 war das Lied in Deutschland bereits bekannt, Anfang des 20. Jahrhunderts erlangte es durch den Einzug in verschiedene Schulliederbücher nochmals einen Schub hinsichtlich Bekanntheit.
Liedtext in heutiger Fassung |
Refrain: „Fröhliche Weihnacht überall“,
1. Darum alle stimmet ein in den Jubelton; von des Vaters Thron.
2. Licht auf dunklem Lebensweg, unser Licht bist du; ein zur sel’gen Ruh.
3. Was wir andern je getan, sei getan für dich, Christkind kam für mich. |
Stefanie Petelin
Dommusikverein Linz/Stefanie Petelin