Gaudete!
Im Rahmen der ORGEL.LITURGIE: Gaudete! am dritten Advent („Gaudete“) musizierten Domorganist Wolfgang Kreuzhuber und Susanne Thielemann im Linzer Mariendom Werke von Johann Sebastian Bach (1685–1750) und Anton Heiller (1923–1979).
Mit der Gemeinde im Dom feierten Bischof Manfred Scheuer, Dompropst Wilhelm Vieböck, Domdechant und Dompfarrer Maximilian Strasser, der emeritierte Domkapitular Walter Wimmer sowie die Diakone Anton Birngruber und Alexander Niederwimmer.
Anton Heiller: Gaudete! – das Werk für den dritten Advent
Mit Anton Heillers Gaudete (aus: Zwei geistliche Gesänge für Sopran und Orgel) verneigten sich Domorganist Wolfgang Kreuzhuber und Sopranistin Susanne Thielemann am Ende des Heiller-Jubiläumsjahres 2023 in der ORGEL.LITURGIE noch einmal vor dem musikalischen Universalgenie Anton Heiller. Die Niederschrift des aus Optavi und Gaudete bestehenden Werks Zwei geistliche Gesänge trägt unterschiedliche Datierungen – Optavi ist bereits mit 5. März 1959 datiert, Gaudete hingegen erst mit 21. Oktober 1959. Das meditativ anmutende Optavi erscheint textlich, musikalisch und damit emotional nahezu wie eine Vorbereitung auf die jazzig-swingende Freude im scherzoartigen Gaudete. Das 1959 entstandene Werk, das einerseits noch Verwurzelung in der gregorianischen Welt und andererseits bereits neue farbige Harmonien und Leichtigkeit im Sinne Paul Hindemiths (1895–1963) und Zwölftonelemente aufweist, wurde vermutlich am 24. August 1960 in Alpbach uraufgeführt.
Der Heiller-Schüler Peter Planyavsky (*1947) analysiert in seinem 2009 erschienen Buch Anton Heiller: Alle Register eines Lebens die Textbetonung von Gaudete: „Daß just das Wort Gaudete „verkehrt“ vertont ist […], hat bereits der Rezensent der Wiener Erstaufführung in der Musikakademie negativ kommentiert; wir Studenten waren in Verehrung unseres Meisters sicherheitshalber empört über diese Boshaftigkeit, konnten aber auch nicht erklären, wie Heiller auf diese Betonung gekommen war. Vielleicht hatte es wieder einmal mit der Methode von Solesmes für den Gregorianischen Choral zu tun, wo man oft auf eine fast metaphysische Weise zwischen Wortakzent und musikalischem Akzent unterscheiden mußte […].“ (S. 228) Wie auch immer man dies deuten mag, konstatiert er zusammenfassend: „Jedenfalls hatte Heiller damals mit Gaudete wieder einmal Neuland in der Sakralmusik betreten; weder hatte jemand derartig lange Koloraturen komponiert noch solche kecken Offbeat-Noten im Pedal. Das Stück ist in jeder Hinsicht ein Wurf, dessen Qualität über Betonungen und Treffschwierigkeiten hinwegfegt.“ (ebd.)
Johann Sebastian Bach: Nun komm der Heiden Heiland! – die Werke für den Advent
Domorganist Kreuzhuber präsentierte im Rahmen der ORGEL.LITURGIE schließlich auch drei Choralvorspiele von Johann Sebastian Bach über Nun komm der Heiden Heiland, der Paraphrase Martin Luthers über den ambrosianischen Hymnus Veni redemptor gentium. Aus dem Orgel-Büchlein, einer Sammlung choralgebundener Orgelstücke, die in erster Linie während Bachs Weimarer Zeit 1712 bis 1717 niedergeschrieben wurden, stammt das zur Gabenbereitung musizierte Nun komm der Heiden Heiland, BWV 599, in a-Moll, das im stile brisé gehalten ist. Für eines der ältesten Stücke der Sammlung (mit dem vollständigen Titel Orgel=Büchlein / Worinne einem anfahenden Organisten Anleitung gegeben wird, auff allerhand Arth einen Choral durchzuführen, anbey auch sich im Pedal studio zu habilitiren, indem in solchen darinne befindlichen Choralen das Pedal gantz obligat tractiret wird) bildet die deutsche Übertragung des ambrosianischen Hymnus die Grundlage für Bachs Komposition. Darin umspielt er den Choral in den anderen Stimmen, dabei geht er typisch bachisch textausdeutend vor, sowohl in Bezug auf die Linienführung als auch hinsichtlich rhetorischer Figuren. Entstehungshintergründe zu den Choralbearbeitungen aus dem Orgel-Büchlein sind letztlich nur Spekulation – sicher sind jedoch der hohe künstlerische Anspruch, die dichte Motivstruktur, die subtile Textausdeutung und die praktischen Anwendungsmöglichkeiten aller Choralbearbeitungen dieser Sammlung.
Aus den Achtzehn Chorälen von verschiedener Art (Leipziger Choräle) musizierte Domorganist Wolfgang Kreuzhuber zu Kommunion und Auszug Nun komm der Heiden Heiland, BWV 659, und Nun komm der Heiden Heiland, BWV 661. Beide Choralvorspiele sind in g-Moll komponiert – bei BWV 659 ist der cantus firmus in der Oberstimme (Diskant) und der Charakter ruhig-fortschreitend und verhalten angelegt, bei BWV 661 ist der cantus firmus in der Unterstimme (Pedal) und der Charakter fröhlich-beschwingt und im organo pleno angelegt.
Hinter der Anlage der drei Choralbearbeitungen von Nun komm der Heiden Heiland (mit dem cantus firmus in Sopran, Tenor und Bass) verbirgt sich Bachs musikalische Ausdeutung der Bewegungsrichtung, die Gott in wenigen Tagen an Weihnachten vollzieht: Er steigt herab zu uns auf Augenhöhe, in die Tiefe unseres menschlichen Daseins, um uns so anzunehmen, wie wir sind.
Bischof Manfred Scheuer: Danke! – 20 Jahre Wirken als Bischof
In seiner Begrüßung führte Dompropst Wilhelm Vieböck einen zweiten Grund der Freude am Gaudete-Sonntag aus: „Die Liturgie sagt heute Gaudete. Neben der adventlichen Vorfreude haben wir einen weiteren Anlass: Vor 20 Jahren wurdest Du, Bischof Manfred, in Innsbruck zum Bischof geweiht und seit acht Jahren bist Du Bischof bei uns in Linz. Mit Dir danken wir Gott und bitten mit Dir um Kraft fürs Weitergehen, dass der Geist Dich und uns neu verlebendigt.“
Dompfarrer Maximilian Strasser wandte sich in seiner Homilie dem Tagesevangelium (Joh 1,6–8.19–28) zu und rückte mit Blick auf das Wort „Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen“ (Joh 1,7) daher Johannes den Täufer in den Fokus seiner Betrachtungen: „Ich will in Johannes ein Vorbild für die Kirche sehen. Ihre Aufgabe ist es, Menschen auf Jesus, den Christus, hinzuweisen und zur Nachfolge Jesu einzuladen, dazu zu motivieren, vielleicht auch manchmal dazu herauszufordern.“ Sich Bischof Manfred Scheuer zuwendend, hielt Strasser fest: „Vieles an Deiner Amtsführung erinnert mich daran, wie Johannes der Täufer seine Aufgabe erfüllt hat. Du weißt um die religiös und weltanschaulich plurale Situation in unserer Gesellschaft und in unserer Welt. Du stellst Dich dem Dialog mit Religionen, Weltanschauungen, politischen und gesellschaftlichen Gruppen. Du nimmst die gesellschaftlichen Herausforderungen an, um ‚Zeugnis abzulegen für das Licht', das Christus ist, und ermutigst uns, Deine Mitchristinnen und Mitchristen, ebenso Zeugen für Christus zu sein. Dir ist der Einsatz für die Kirche ein Anliegen, weil sie ‚Sakrament, Zeichen und Werkzeug' ist. Diesen Einsatz leistest Du, damit die Kirche ihrer ureigensten Aufgabe, Christus zu verkündigen und Menschen zu ihm zu führen, besser nachkommen kann.“
Die Freude rückte auch Bischof Manfred Scheuer in seinen einleitenden Worten unter Bezugnahme auf den berühmten Ausspruch des Augustinus („Die Seele nährt sich an dem, was sie erfreut.“ – Confessiones XIII, 27) in den Fokus: „Er meint damit, dass die Freude so etwas wie ein Grundnahrungsmittel für uns ist. Ohne Freude hätten wir noch Mangelernährung oder würden wir überhaupt verhungern. Am heutigen Sonntag Gaudete dürfen wir uns auf die Freude besinnen, die uns trägt, die uns in Kleinigkeiten widerfährt und geschenkt ist, die wir in Sternstunden erfahren, die vielleicht auch manchmal die Grundmelodie des Lebens ist." Den Bogen zur Freude als Grundmelodie des Lebens schlug Bischof Scheuer in seinen Dankesworten am Ende des Gottesdienstes: „Ich sage ein großes Danke für das Mitfeiern, danke für das gute Wort der Verkündigung, danke für die Melodien, für die Musik, danke für die Arbeit, das Wirken und das Zeugnis und das Beten in der Kirche unseres Landes, [...] in unseren Diözesen [...]. Danke für Euer Dasein und danke auch für Euer Gebet. Der Papst, der heute seinen Geburtstag feiert, sagt bei jeder Begegnung, die oft nur eine halbe Minute dauert: ‚Beten wir füreinander!' Das möchte ich Euch bitten und das möchte ich Euch auch zusagen. Beten wir füreinander!“
Stefanie Petelin
Robert Thiemann/unsplash.com/Unsplash License (Sujet) | Dommusikverein Linz/Stefanie Petelin (Fotos der ORGEL.LITURGIE)