SOUND OF COLOURS mit Blasorchester und zwei Orgeln
Ein BUNTes Feuerwerk an Klangfarben zündete der bereits traditionelle RAUMKLANG als Abschluss der Abendkonzertreihe des ORGEL.SOMMERs am 9. September 2021 ab 20.00 Uhr im Mariendom Linz. Unter dem Titel SOUND OF COLOURS zauberten Domorganist Wolfgang Kreuzhuber und Dommusikassistent Gerhard Raab in diesem Jahr gemeinsam mit ihren Gästen, der Marktmusikkapelle Wallern (MaMuKaWa) unter der Leitung von Kapellmeister Bernhard Ortner, eine musikalische Farbenpracht in die dazu passend in Regenbogenfarben erstrahlende größte Kirche Österreichs.
Kontraste!
Mit Aaron Coplands (1900–1990) beeindruckender „Fanfare for the Common Man“ in Bernhard Ortners Arrangement eröffnete die MaMuKaWa den farbenprächtigen RAUMKLANG Nummer 21. Komponiert wurde das Werk 1942 für Eugène Aynsley Goossens, der als Dirigent des Cincinnati Symphony Orchestra in der Saison 1942/1943 jedes der 18 Orchesterkonzerte mit der Fanfare eines amerikanischen Komponisten eröffnen wollte. Als Inspiration für sein vermutlich bekanntestes Werk diente Copland das von Henry A. Wallace, dem damaligen Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, proklamierte „Jahrhundert des Normalbürgers“.
Die Fanfarenform diente Domorganist Wolfgang Kreuzhuber (*1957) wohl auch als Inspiration für die faszinierende freie Improvisation an „seiner“ Rudigierorgel: Virtuose Akkordverbindungen, klangmächtige Tutti hüllten das zahlreich erschienene ORGEL.SOMMER-Publikum im Linzer Mariendom in bunte, fanfarenartige Klangfarben.
Wolfgang Kreuzhuber (*1957): Freie Improvisation | Rudigierorgel: Domorganist Wolfgang Kreuzhuber
Von den Klängen der Chororgel, an der Dommusikassistent Gerhard Raab Platz genommen hatte, unterstützt widmete sich die MaMuKaWa anschließend dem „Domine ad adiuvandum me festina“ aus Claudio Monteverdis (1567–1643) berühmter „Vespro della Beata Vergine“, SV 206, aus dem Jahr 1610 in einem Arrangement von Jérôme Naulais.
Gegensätze ziehen sich an – in jeglicher Hinsicht! Denn die virtuose „Fantasia per trombone“, von der Empore über der Sakristei gespielt von Posaunist Tobias Ortner, erst im Frühling 2021 beim Bundeswettbewerb prima la musica mit dem ersten Preis ausgezeichnet, ist nicht nur von der Besetzung, sondern auch von der zeitlichen Einordnung ziemliches Kontrastprogramm. Das Stück stammt aus der Feder des ungarischen Komponisten Frigyes Hidas (1928–2007), der mit seinem kompositorischen Lebenswerk einen bedeutenden Beitrag zur Bereicherung des zeitgenössischen ungarischen Instrumentalrepertoires leistete.
Linz!
Anton Bruckner (1824–1896) komponierte sein „Ecce Sacerdos“, WAB 13, für achtstimmigen gemischten Chor, drei Posaunen und Orgel 1885 anlässlich des hundertjährigen Linzer Diözesanjubiläums auf Wunsch von Johann Baptist Burgstaller, Regens chori des Linzer Domes. Die Komposition zum Einzug des Bischofs entfaltet kontinuierlich ihre prächtige Klangmacht, um in einem berührenden Pianissimo zu enden, da bei der Einzugsprozession ab Erreichen des Altars nur noch „Omnia ad maiorem Dei gloriam“ – wie von Bruckner festgehalten – gelten sollte. Thomas Doss verlegt den Chorpart in seiner reizvollen Bearbeitung in die Bläserstimmen – die MaMuKaWa wurde dabei von Gerhard Raab an der Chororgel unterstützt.
Noch mehr Linzer Klänge folgten im Anschluss daran: Karl Borromäus Waldeck (1841–1905), Anton Bruckners Nachfolger als Linzer Domorganist, komponierte eine Fantasie über ein Thema seines Vorgängers aus den 1860er-Jahren, die durch die Folge spannungsreicher Akkorde und virtuoser Verbindungsskalen einen hochdramatischen Ausdruck erreicht. Beim RAUMKLANG war Waldecks bekanntestes Werk mit der Opuszahl WV I.1.4 in einer Einrichtung für zwei Orgeln mit Domorganist Wolfgang Kreuzhuber an der Rudigierorgel und Dommusikassistent Gerhard Raab an der Chororgel zu hören.
Fantasien!
Bei der Uraufführung von Morten Lauridsens (*1943) zu Herzen gehendem Chorwerk „O Magnum Mysterium“ (1994), das den mittelalterlichen Text des großen Wunders der Menschwerdung Gottes als stilles Lied von tiefer, innerer Freude vertont, erklärte Chorleiter Paul Salamunovich: „Until now, Vittoria’s ‚O Magnum Mysterium‘ has been the most beautiful and well recognized setting of this text composed to date. I predict that will change after tonight.“ Tausende Aufführungen und hunderte Einspielungen später lässt sich diese Vorhersage wohl bestätigen – auch durch die beim RAUMKLANG von der MaMuKaWa gespielte Fassung für Bläser von H. Robert Reynolds.
Dommusikassistent Gerhard Raab widmete sich an der Rudigierorgel anschließend Camille Saint-Saëns‘ (1835–1921) pfiffiger „Fantasie in Es-Dur“. Die aus zwei Teilen bestehende Komposition aus dem Jahr 1857, die Georges Schmitt (1821–1900), dem Grenzgänger zwischen deutscher und französischer Musik, gewidmet ist, beginnt im ersten Teil harmonisch verhalten als Dialog von gegenüberstehenden Akkordblöcken, der zweite Teil legt kräftig los und steigert sich zusehends zu einem apotheotischen Ende.
Camille Saint-Saëns (1835–1921): Fantasie No. 1 | Rudigierorgel: Dommusikassistent Gerhard Raab
Bei Samuel Barbers (1910–1981) berühmtem „Adagio for Strings“, das die MaMuKaWa im Anschluss interpretierte, handelt es sich um das 1938 für Arturo Toscanini und das NBC Symphony Orchestra in New York erstellte Arrangement des zweiten Satzes seines „String Quartet in B minor“, op. 11, das der Komponist 1936 während eines Studienaufenthalts am Wolfgangsee komponiert hatte. Ton van Grevenbroek hat das „traurigste klassische Stück“, zu dem das Adagio von den BBC-Hörern gewählt wurde, sehr feinsinnig für Blasorchester arrangiert, um der MaMuKaWa beim RAUMKLANG alle Nuancen des Bläserklanges abzuverlangen.
Ins 17. Jahrhundert entführte im Anschluss das Ensemble Vario Brass mit einer Canzon von Paul Peuerl (1570–nach 1625), der ab 1609 als Organist und Orgelbauer in Steyr wirkte und zu Lebzeiten bedeutsame und richtungsweisende Impulse für die Entwicklung der Suite setzte. Die Musiker hatten sich für dieses Stück im Seitenschiff nahe der Vierung platziert.
Musikbilder!
Karl Jenkins‘ (*1944) „The Armed Man: A Mass for Peace“ für vierstimmigen gemischten Chor, zwei Solisten und symphonisches Orchester entstand 2000 im Auftrag des Royal Armouries Museums. Das Ende eines kriegsreichen Jahrhunderts reflektierend und hoffnungsvoll in eine friedlichere Zukunft blickend ist das Werk dem Gedenken an die Opfer der Kosovo-Krise gewidmet. In Luc Vertommens klangprächtigem Arrangement des Benedictus wechseln Bläser und Orgeln (Dommusikassistent Gerhard Raab an der Rudigierorgel, Domorganist Wolfgang Kreuzhuber an der Chororgel) einander ab, der ursprüngliche Gesangspart wurde bei der Fassung der MaMuKaWa von Solistin Lea Ortner am Euphonium übernommen.
Mit dem fulminanten Schlussstück „Das große Tor von Kiew“ von Modest Mussorgskis (1839–1881) Klavierzyklus „Bilder einer Ausstellung“, das 1874 in Erinnerung an den verstorbenen Maler Viktor Hartmann entstand, endete auch der vielfarbige RAUMKLANG. Das musikalische Gemälde als Musterbeispiel für Programmmusik erklang in einem klangfarbenreichen Arrangement von Jérôme Naulais – das perfekte SOUND OF COLOURS-Finale mit der MaMuKaWa, Dommusikassistent Gerhard Raab an der Rudigierorgel und Domorganist Wolfgang Kreuzhuber an der Chororgel!
Langanhaltenden Applaus und Standing Ovations gab's vom ORGEL.SOMMER-Publikum, das der Einladung des Dommusikvereins Linz und der Marktmusikkapelle Wallern auch in diesen für alle Kulturveranstalter so herausfordernden Zeiten so zahlreich gefolgt war.
Stefanie Petelin
Markus Spiske/unsplash.com/Unsplash License (Sujetfoto) / Dommusikverein Linz/Stefanie Petelin und Dommusikverein Linz/Florian Zethofer (Konzertfotos)