Musik & Wort: „Und siehe: es war sehr gut!“
Unter dem Motto „Und siehe: es war sehr gut“ hatte Christoph Niemand Texte biblischer Schöpfungspoesie für den Auftakt der Serie Musik & Wort im Rahmen von Dienstagabend im Dom ausgewählt, die Domorganist Wolfgang Kreuzhuber mit Improvisationen an der Rudigierorgel in musikalischer Form zum Klingen brachte.
Lichtreich!
„Es wird heute viel um Licht gehen“, versprach Christoph Niemand in seinen einleitenden Worten, denen er eine persönliche Erfahrung voranstellte: „Jetzt ist alles in der Natur voll Leben und Wuchs. Als ich das, was ich hier vortrage, gestern Abend schrieb, trällerte und pfiff vor meinem Fenster gerade eine Amsel auf dem Dachfirst des Nachbarhauses aus Leibeskräften in die untergehende Sonne hinein. Um deren Wieder-Aufgehen am Morgen und am anderen Ende des Himmels macht sie sich überhaupt keine Sorge. Und sie braucht es auch nicht, denn Gott hat unsere Welt ja ganz verlässlich eingerichtet. Und Nacht wird es nur, damit auch die andere Seite unseres Planeten Anteil am Sonnenlicht bekommt.“ Nach dem Blick auf Genesis 1,1–3 („Ganz im Anfang war es, da machte Gott Himmel und Erde. Die Erde aber war noch wüst und wirr. Finsternis lag über der Urflut. Doch Gottes Geist schwebte über den Wassern. Und Gott sprach: Es sei Licht. Und das Licht war da. Gott sah das Licht: Es war gut.“) und Psalm 36,10 („Bei dir, HERR, ist die Quelle des Lebens, in deinem Licht schauen wir das Licht.“) improvisierte Domorganist Wolfgang Kreuzhuber über die ersten Sätze der Bibel (Gen 1,2–3).
Unendlich!
Im zweiten textlichen Abschnitt wandte sich Christoph Niemand dem „Leuchten des Himmels“, den „abermilliarden Sonnen, die den Kosmos durcheilen“ zu. Dazu führte Niemand aus: „Astronomen und Astrophysiker berichten von den unvorstellbar großen räumlichen Distanzen und Zeitstrecken, die das Licht dabei zurücklegt. Und manche von ihnen bekommen leuchtende Augen, wenn sie ‚bekennen‘, dass das, was sie da beobachten, messen und berechnen, einfach ‚schön‘ sei.“
Unter Bezugnahme auf Psalm 147, 4 und Baruch 3 erläuterte Christoph Niemand in seinem Blick auf die biblische Poesie schmunzelnd weiter: „Vor diesem Hintergrund muss ich immer lächeln, wenn ich im Buch Baruch das Kapitel 3 lese. Im Kopf höre ich dabei jedesmal den berühmten Eröffnungssatz aus den Raumschiff-Enterprise-Folgen: ‚Der Weltraum. Unendliche Weiten‘. Dieses Gedicht lobt in den Versen 33 bis 34 Gott dafür, wie er die stellaren Welten geschaffen hat. Der Text ist genial: gleichmaßen naiv, weise und anschaulich: ‚Gott entsendet das Licht und es eilt dahin; er ruft es zurück und zitternd gehorcht es ihm. Froh leuchten die Sterne auf ihren Posten. Ruft er sie, so antworten sie: Hier sind wir. Sie leuchten mit Freude für ihren Schöpfer. Das ist unser Gott; kein anderer gilt neben ihm.‘ Stellen Sie sich das vor: Gott entsendet den Alpha-Centauri-DreißigTausend-mal10-hoch-minus17-omega9-etc.etc. Und der fährt aus mit Lichtgeschwindigkeit. Gott ruft ‚Stop‘, und natürlich gehorcht er – zitternd, denn der Bremsweg aus Lichtgeschwindigkeit heraus ist herausfordernd. Froh leuchtet er jetzt auf seinem Posten. Wenn Gott ihn wieder ruft, antwortet er ‚Hier bei der Arbeit‘ und weiter leuchtet er mit Freude für seinen Schöpfer.“
Domorganist Wolfgang Kreuzhuber improvisierte schließlich über den Psalmtext – zum Einsatz kam dabei sogar der allseits beliebte Zimbelstern.
Gepriesen!
Im dritten Abschnitt des musikalisch-poetischen Abends rezitierte Christoph Niemand Psalm 104 und betonte dabei: „Gott hat die Welt so unendlich reich und vielgestaltig gemacht. In Weisheit und mit Liebe zum Detail hat er unsere Welt bewohnbar eingerichtet. Berge und Hügel hat er geformt, dazwischen murmeln die Bäche, Vögel singen im Ufergebüsch, der Wildesel in der Steppe und der Steinbock im Gebirge freuen sich ihres Daseins, das Murmeltier – in der Einheitsübersetzung ‚Klippdachs‘, – pfeift zu Gottes Preis. Die jungen Löwen brüllen nach Beute. Wenn sich die nachtaktiven Tiere zurückziehen, geht die Sonne auf und der Mensch hinaus zur Arbeit: Er produziert Wein, Brot und Öl. Und die Vulkane, die man in Israel nur vom Hörensagen kannte? Das kommt daher, wenn Gott einen Berg berührt: dann raucht er! Und die unvorstellbar großen Meerestiere, die in unvorstellbar weit entfernten Ozeanen dahinziehen? Das ist der Leviatan, den Gott zu seinem Spaß geschaffen hat. Gottes Geist und Gottes Atem macht alles lebendig. Wenn er ihn zurückzöge, dann fiele alles zurück ins Nichts. Aber keine Angst. Gott sendet seinen Geist und Atem immer wieder aus und erneuert so – ständig – das Antlitz der Erde. Die Schlussbitte – Frevler und Gewalttäter mögen von dieser wunderbaren Erde verschwinden und sie nicht weiter verderben dürfen – ist in Tagen wie den unseren so nachvollziehbar wie immer!“
Als „Best of“ von Psalm 104 improvisierte Domorganist Wolfgang Kreuzhuber an der Rudigierorgel über die folgenden Verse: „Preise den HERRN, meine Seele! / HERR, mein Gott, überaus groß bist du! * Du bist mit Hoheit und Pracht bekleidet. Du hüllst dich in Licht wie in einen Mantel, * du spannst den Himmel aus wie ein Zelt. [...] Da ist das Meer, so groß und weit, / darin ein Gewimmel, nicht zu zählen: * kleine und große Tiere. […] Ich will dem HERRN singen in meinem Leben, * meinem Gott will ich singen und spielen, solange ich da bin.“ (Psalm 104,1–2,25,33)
Strahlend!
Zuletzt richtete Christoph Niemand den Blick auf das innere Licht: „Unser Erkennen, unsere Gedanken nennen wir Licht, weil sie uns Orientierung und Richtung geben. Aber auch Sympathie, Freundschaft, Liebe ist Licht und macht das Leben hell und freundlich.“ So präsentierte er am Ende von Musik & Wort die Erinnerung an Paulus von Tarsus, den Christenverfolger, der zum Apostel und Märtyrer wurde, „einem Menschen, der von sich sagt, dass er blind war, aber jetzt sehen kann“. Niemand deutete diese „buchstäblich umwerfende und blendende Lichterfahrung“, von der Paulus selbst auch im dritten und vierten Kapitel des zweiten Korintherbriefs erzählt, ein Ereignis, das sein Leben völlig veränderte: „Dabei hören wir aber nichts von äußerlich überwältigendem Licht. Er schreibt von einem eher inneren Prozess, wie ihm – dem vor Hass Blinden – damals das Gesicht Jesu zu strahlen begonnen hat: Nichts Geringeres als der Glanz Gottes sei ihm auf dem Gesicht Jesu aufgeleuchtet. Seitdem ist ihm Christus das Spiegel- und Ebenbild Gottes und seitdem bemerkt er an sich selbst, wie er – Schritt um Schritt – von dieses Lichtbild, das er anschaut, geprägt und umgestaltet wird.“
Wolfgang Kreuzhuber (*1957): Improvisation über „ Denn Gott, der sprach: Aus Finsternis soll Licht aufleuchten!, er hat unsere Herzen (genauso) hell gemacht, damit in ihnen aufstrahlt die Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Jesu Christi.“ (2 Kor 4,6) | Rudigierorgel: Domorganist Wolfgang Kreuzhuber
Dazu zitierte der Bibelwissenschaftler 2 Kor 3,18 und 4,6: „Wir alle aber, mit enthülltem Angesicht schauen wie die Herrlichkeit des Herrn wie in einem Spiegel und werden so in eben dieses Bild (hinein)verwandelt, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, durch den Geist des Herrn. […] Denn Gott, der sprach: Aus Finsternis soll Licht aufleuchten!, er hat unsere Herzen (genauso) hell gemacht, damit in ihnen aufstrahlt die Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Jesu Christi.“ Diesen letzten Vers (4,6) nahm Domorganist Wolfgang Kreuzhuber auch zum Anlass, um eine gewaltige Improvisation von unglaublicher Rhythmik und Intensität von der Orgelempore in den abendlichen Linzer Mariendoms zu setzen.
Stefanie Petelin
Dommusikverein Linz/Stefanie Petelin