Festlicher Abschluss des Jubiläumsjahres
Ein besonderes musikalisches Highlight hatten sich Domorganist Wolfgang Kreuzhuber und Dommusikassistent Gerhard Raab als Schlusspunkt für das Jubiläumsjahr „50 Jahre Rudigierorgel“ ausgedacht: Die beiden Vollblutmusiker improvisierten miteinander über marianische Gesänge auf Rudigierorgel und Chororgel. „Es ist eine neue Herausforderung – und es ist äußerst spannend für uns Musiker, sich so weit aufeinander einzulassen, dass man seine Eigenständigkeit behält und trotzdem ein großes Ganzes erschafft“, verriet Kreuzhuber.
Das spannende Erlebnis erfordert natürlich spontanes Reagieren, die Koordination zwischen den zwei Orgeln mit ihrer enorm großen Distanz in der größten Kirche Österreichs ist alleine schließlich schon eine Herausforderung.
„Die Musik öffnet einen Raum des Berührtwerdens ...“
Domorganist Wolfgang Kreuzhuber an der Rudigierorgel und Dommusikassistent Gerhard Raab improvisierten zum Einzug über „Ave maris stella“ („Meerstern, sei gegrüßt“). Der lateinische Marienhymnus wurde in Form einer improvisierten Fantasie – unter Einsatz modernerer Mittel wie Gewichte zur Clusterbildung (siehe Foto) – in Musik gegossen.
In seinen einleitenden Gedanken am Beginn des Festgottesdienstes stellte Kurat Josef Keplinger das Marienfest und den Mariendom in Beziehung: „Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria. Die Glaubensüberzeugung, die wir heute feiern, ist in besonderer Weise mit diesem Gotteshaus verbunden, mit unserer Domkirche. Sie ist diesem Glaubensgeheimnis geweiht. Der Bau steht dafür, erzählt es nach außen. Hier dürfen wir uns immer wieder versammeln zum gemeinsamen Feiern, hier werden wir in das, was wir glauben, zutiefst hineingenommen.“
Weiter führte Keplinger in Bezug auf die Macht und die Kraft der Musik aus: „Es ist wunderschön, dass heute in besonderer Weise bei diesem Gottesdienst noch einmal unsere Rudigierorgel miteinbezogen wird. Für mich eine Erinnerung: Der Glaube stößt immer wieder an Grenzen, unser Verstand stößt an Grenzen, die Musik aber, die öffnet hinter diesen Grenzen immer noch einen Raum des Berührtwerdens.“
„Wieder mit dem Herz Gottes im Einklang ...“
Kurat Josef Keplinger setzte in seiner Predigt die erste Lesung (Gen 3,9–15.20) und das Evangelium (Lk 1,26–38) auf spannende Weise zueinander in Beziehung. Ausgehend von eigenen Kindheitserinnerungen – dem Versteckspiel mit den Nachbarskindern – entfaltete Keplinger einen ganz besonderen Blick auf das Marienfest: „Kinder verstecken sich gerne, wollen gesucht werden. [...] Vielleicht ist das deshalb so, weil es eine ungemein schöne Erfahrung ist, wenn man gesucht wird. Wo bist Du? Man sucht doch nur etwas, was man gern hat, dem man Bedeutung zumisst. Adam, wo bist Du? Die zentrale Frage der heutigen Lesung auf den ersten Seiten der heiligen Schrift. Und sie steht für mich wie ein großes Vorzeichen über dem heutigen Festtag. Ein biblisches Versteckspiel? Ich glaube nicht. Kein Spiel, sondern tiefer Ernst.“
Mit Gedanken über den Ausdruck „Das ist zum Davonlaufen!“ schuf Keplinger eine Brücke in die Gegenwart: „Wir gebrauchen dieses Wort in Situationen, die wir kaum mehr aushalten, wo wir uns nicht mehr auskennen, wo wir an Grenzen stoßen, wo wir selber uns zur Frage werden, wo nichts mehr gewiss scheint oder vielleicht sogar zutiefst an Gott zweifeln. In solchen Momenten, da wird für mich deutlich, dass wir irgendwo alle den Impuls des Adam noch in uns tragen. Er geht irgendwie ein Leben lang mit und er holt uns immer wieder einmal ein.“
Keplinger ging anschließend der Frage nach, warum Adam zum Flüchtenden wurde – vor Gott, vor sich selbst. Und er fand die Antwort in Adams Misstrauen, das ihn so einsam machte, das ihn isoliert – mitten in der Lebensfülle, mitten im Paradies: „[Auf einmal] keimt in ihm die Frage: Meint Gott es wirklich gut mit mir oder will er mich kleinhalten? Kann ich ihm restlos vertrauen oder soll ich mein Leben doch besser selbst in die Hand nehmen? Im Misstrauen Gott gegenüber wird Adam unsagbar einsam. Nur mehr sich selbst vertrauen können – das Du wird auf einmal zum Konkurrenten, zur Bedrohung.“
Hinter der Frage „Adam, wo bist Du? Was ist aus Dir geworden?“ ortete Josef Keplinger die Haltung Gottes: „Gott auf der Suche nach dem Verlorenen. Weil er immer treu war und treu bleibt, was immer sein Geschöpf auch tut. Als Suchender zeigt Gott dem Adam, wie weit seine Liebe zum Leben und seine Treue reichen. Es ist zum Davonlaufen. Aber Gott bleibt auf der Suche, solange es Menschen gibt.“ Keplinger führte seine Gedanken weiter: „Wo bist Du? In Jesus Christus ist diese Frage Gottes Mensch geworden, sein liebevolles Suchen. In Christus geht Gott in seinem Suchen sogar bis in den Tod hinein, damit wir Menschen selbst in diesem scheinbar einsamsten Moment noch erfahren, dass wir Erwartete sind.“
Schließlich schlug Keplinger in seinen Predigtgedanken den Bogen zum Marienfest: „Wir feiern heute, dass Maria vom ersten Augenblick ihres Daseins an von der Erbschuld bewahrt war, das heißt, dass sie nicht angesteckt war von jener Dynamik des Misstrauens Gott gegenüber, die Adam zum Flüchtenden machte. In ihr wird uns [...] der Mensch vor Augen gestellt, der sich von Gott finden lässt, der seine Liebe und Zuwendung, die in Jesus auf die Menschen zukommt, ganz annimmt. Ihr Freisein von Misstrauen Gott gegenüber zeigt sich gerade in dem Moment, als ihr der Engel den Plan Gottes enthüllt. Da hätte sie allen Grund, zu beginnen, davonzulaufen, sich die Frage zu stellen: Meint Gott es wirklich gut mit meinem Leben? Ich habe eigentlich andere Pläne. Anders als Adam aber vertraut Maria der Treue Gottes und wird so zur Mitspielerin in seinem Heilsplan. Wir könnten auch sagen: Mit ihr geht endlich das Versteckspiel zu Ende, das mit Adam begonnen hat. Sie glaubt daran und baut darauf, dass Gott ihr Leben groß macht und sie singt es in die Welt hinaus, nicht weil sie über den Dingen steht, sondern weil ihr Herz als Vertrauende wieder mit dem Herz Gottes in Einklang schlägt.“
Zuletzt lud Keplinger dazu ein, auf Maria zu schauen, „auf den Moment, wo die Beziehung zwischen Gott und Mensch wieder geheilt wurde“. Keplinger sah in diesem Blick „[…] eine einzige große Einladung zum Vertrauen, gerade in jenen Momenten, wo wir vielleicht meinen, es wäre besser davonzulaufen.“
„Wir sind in Linz hier wirklich privilegiert ...“
Zur Gabenbereitung improvisierten Kreuzhuber und Raab gemeinsam mehrere Choralvariationen im barocken Stil über das Marienlied „Sagt an, wer ist doch diese“. Während der Kommunion erklang eine Improvisation über Anton Bruckners „Tota pulchra es Maria“ („Ganz schön bist Du, Maria“), WAB 46 – Bruckners Motette in phrygischer Tonart wurde am 4. Juni 1878 in der Votivkapelle des Mariendoms Linz zum 25jährigen Jubiläum von Franz Joseph Rudigier als Linzer Bischof uraufgeführt und nimmt Bezug auf Maria und ihre unbefleckte Empfängnis. Das Widmungsexemplar der Noten befindet sich übrigens im Archiv des Mariendoms.
Vor dem Schlusssegen bedankte sich Kurat Josef Keplinger mit herzlichen Worten für das musikalische Privileg, das den Feiernden im Linzer Mariendom stets zuteil wird, sowie bei Domorganist Wolfgang Kreuzhuber und Dommusikassistent Gerhard Raab für ihr Wirken an den beiden Orgeln im Dom:
„Wir in Linz hier sind wirklich privilegiert – ich möchte das heute einmal mehr sagen. Privilegiert, weil es vor fünfzig Jahren Menschen gegeben hat, denen die Kirchenmusik einfach ein Herzensanliegen war und die mit Weitblick auch so ein Projekt wie unsere Rudigierorgel dann angestoßen und umgesetzt haben. Mindestens genauso privilegiert sind wir, weil wir Menschen haben, die wunderbar auf diesem Instrument spielen. Das ist oft so selbstverständlich, ist es aber nicht. Ich möchte heute wirklich im Namen aller, die hier immer wieder feiern, ein herzliches Danke sagen an unseren Domorganisten Wolfgang Kreuzhuber an erster Stelle und auch für alle seine Aktivitäten jetzt in diesem Geburtstagsjahr der Rudigierorgel. Danke natürlich auch an Gerhard Raab und an alle, die sich für Musik und Gesang in unserer Domkirche engagieren, damit wir auch in Zukunft Privilegierte sein können.“
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Wolfgang Kreuzhuber (*1957) / Gerhard Raab (*1992): Improvisation über „Salve Regina“ | Rudigierorgel: Domorganist Wolfgang Kreuzhuber und Chororgel: Dommusikassistent Gerhard Raab
Zum Auszug musizierten Kreuzhuber und Raab eine Improvisation über die marianische Antiphon „Salve regina“ („Sei gegrüßt, o Königin“) – und zwar in Form einer Choraltoccata. Auch wenn die Improvisation Bezug auf das dorische „Salve Regina“ nahm: Der marianische Gesang steht in enger Verbindung mit dem Linzer Mariendom, denn beim Läuten aller sieben Glocken – bestehend aus Immaculata-Glocke, Josephiglocke, Petrusglocke, Pilgerglocke, Agnesglocke, Maximilianglocke und Michaeliglocke – erklingt das Motiv des „Salve Regina“. Übrigens handelt es sich beim Geläut des Mariendoms um das einzige vollständig erhaltene Großgeläut aus der Zeit um 1900 im gesamten deutschen Sprachraum.
„Ein stimmiger Abschluss des Jubiläumsjahres ...“
Berührt zeigte sich Dompfarrer Maximilian Strasser, der in der Messe konzelebrierte, nach dem Gottesdienst: „Es war einfach ein wunderbarer Gottesdienst – und Wolfgang Kreuzhuber und Gerhard Raab harmonieren musikalisch so wunderbar miteinander!“
Auch Domorganist Wolfgang Kreuzhuber freute sich über diesen stimmigen, schönen Festgottesdienst, der mit seiner liturgischen Gestaltung, seinen Predigtgedanken und seiner Musik für ihn „ein würdiger Abschluss des Jubiläumsjahres“ war. „Gerhard Raab und ich haben noch nie miteinander improvisiert, es war einfach eine große Freude“, verlieh Kreuzhuber seiner Begeisterung Ausdruck. Und er fuhr strahlend fort: „Im Jubiläumsjahr haben wir die Rudigierorgel im Besonderen und die Orgel im Allgemeinen in vielfältiger Weise zu den Menschen gebracht, das Jubiläumsjahr hat über den Dom hinaus gewirkt – wir sind nach der eröffnenden ORGEL.LITURGIE am 8. Dezember 2018 hinausgegangen mit ungewöhnlichen Formaten wie ORGEL.KABARETT und ORGEL.DINGSDA, mit ORGEL.FOTOGRAFIE und ORGEL.POESIE, wir haben die Rudigierorgel im Rahmen der ORGEL.SINNE für Klein und Groß erlebbar gemacht, wir haben den ORGEL.SOMMER mit fantastischen jungen und renommierten Künstlerinnen und Künstlern begangen und wir sind zuletzt mit einem abschließenden Festgottesdienst am 7. Dezember 2019 wieder zurückgekehrt zur ORGEL.LITURGIE.“
Stefanie Petelin
Dommusikverein Linz/Stefanie Petelin